Trinkgeld in der Gastronomie – das müssen Sie wissen
„Es isch guet so!“: Diesen Satz hören Serviceangestellte eines Schweizer Restaurants täglich. Den Rechnungsbetrag im Restaurant aufzurunden oder jemanden für seine freundliche Bedienung zu belohnen, ist hierzulande normal. Doch wem gehört dieses Trinkgeld?
In diesem Artikel lesen Sie, welche Regeln in der Schweiz gelten und wie Sie das Trinkgeld im Restaurant aufteilen können.
Fakten rund ums Trinkgeld
Seit 1974 ist in der Schweiz der Service im Preis inbegriffen. Die Leistung des Servicepersonals wird somit durch den Lohn abgegolten. Dazu kommt häufig das Trinkgeld. Das ist aber nicht in jedem Land so. In Japan zum Beispiel kann die Vergabe von Trinkgeld als persönliche Beleidigung aufgefasst werden. Ganz anders sieht es in den USA aus. Dort leben die Angestellten fast ausschliesslich vom Trinkgeld, deshalb werden rund 15 – 20 % auf den Rechnungsbetrag erwartet. In den meisten europäischen Ländern gilt die Faustregel von 10 – 15 % Trinkgeld auf den Rechnungsbetrag.
Doch nun zurück in die Schweiz: Obwohl heute Serviceangestellte oft Trinkgeld erhalten, haben sie keinen rechtlichen Anspruch auf die zusätzliche Entschädigung. Deshalb ist es oft schwierig zu sagen, wem dieses Geld gehört. Sicher ist, dass ein Teil des Trinkgeldes dem Staat gehört. Denn wenn dieses nicht versteuert wird, ist dies Schwarzarbeit.
Wem gehört das Trinkgeld?
Mit dem Trinkgeld belohnen die Gäste die freundliche und zuvorkommende Bedienung. Meistens erwarten die Gäste, dass die Angestellten, die die gute Leistung erbracht haben, das Trinkgeld bekommen. Egal, ob man mit der guten Leistung den Betrieb, die Köchin oder den Servicemitarbeiter belohnen will, das Trinkgeld wird unabhängig davon meistens beim Servicepersonal deponiert. Eine faire Aufteilung zu gewährleisten, kann je nach Betrieb eine komplizierte Aufgabe sein. Da das Thema Trinkgeld im Landesgesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes (L-GAV) nicht geregelt ist, gibt es keine einheitliche Bestimmung.
Es ist zulässig, dass der Arbeitgeber über die Verteilung entscheidet. Er braucht aber die schriftliche Zustimmung aller Mitarbeitenden. Es ist ratsam, die Verteilung in einem Reglement festzuhalten, damit die Angestellten bei Stellenantritt Bescheid über die Verteilung wissen. Somit kann sichergestellt werden kann, dass diese immer gleich und fair abläuft.
Wir haben für Sie aus unserem eigenen Berufsalltag und jenem unserer Kunden ein paar Beispiele rausgesucht, wie diese Verteilung in der Praxis aussehen könnte.
Beispiel 1: Eigenes Portemonnaie, eigenes Trinkgeld
Die häufigste Methode ist, jedem Mitarbeiter sein eigenes Portemonnaie zur Verfügung zu stellen und die verschiedenen Bereiche eines Restaurants einem bestimmten Angestellten zuzuteilen. Der Betriebsführer Alex wendet diese Methode in seiner kleinen Dorfwirtschaft mit fünf Angestellten an. Das erwirtschaftete Trinkgeld darf behalten werden, allenfalls wird ein gewisser Prozentsatz mit dem übrigen Personal, wie beispielsweise den Köchinnen und Köchen, geteilt. Dadurch kann am besten sichergestellt werden, dass auch wirklich jener Mitarbeiter die Belohnung des Gastes erhält, welche er sich verdient hat.
Diese Methode hat aber auch einen Haken. Die Angestellten erhalten je nach Arbeitszeiten und Gästen unterschiedlich hohe Trinkgelder. Es gibt eher ein hohes Trinkgeld am Abend oder bei Geburtstagsgesellschaften. Eher weniger Trinkgeld zu erwarten ist am Morgen und über den Mittag oder, wenn wenig Gäste das Restaurant besuchen.
Beispiel 2: Geteiltes Portemonnaie, geteiltes Trinkgeld
Die Serviceangestellte Nina arbeitet in einem Restaurant in der Stadt Bern mit etwa zehn Mitarbeitenden. Es gibt keine eigenen Portemonnaies für jeden Mitarbeitenden, sondern zwei für alle. Jeweils am Ende einer Schicht wird der Inhalt dieser beiden Portemonnaies und somit der Überschuss ermittelt. Dieser wird zu gleichen Teilen auf die Mitarbeitenden aufgeteilt, die während dieser Schicht gearbeitet haben. Vom Gesamtbetrag erhält der Koch jeweils 10 – 20 %, damit auch er etwas vom Trinkgeld hat.
Eine solche Aufteilung zu gleichen Teilen ist eine einfache Methode, um eine faire Verteilung zu gewährleisten. Diese Handhabung kann vor allem angewendet werden, wenn alle Mitarbeitenden einer Schicht auch gleich lange Arbeitszeiten haben. Arbeitet jemand am Abend nur zwei Stunden, der andere aber fünf, kann es mit dieser Methode schnell kompliziert werden.
Beispiel 3: Trinkgeldkasse
In Marcos Betrieb ist eine Trinkgeldkasse aufgestellt. Die Gäste können beim Verlassen des Restaurants einen Betrag einwerfen. Dieser gemeinsame Topf wird dann unter dem Personal aufgeteilt.
Bei dieser Methode ist es wiederum schwierig, wie genau die Aufteilung stattfinden soll, wenn nicht alle Mitarbeiter unter gleichen Bedingungen arbeiten.
Es finden sich auch immer wieder Beispiele, wie es nicht laufen sollte, wie dieses von Jana zeigt:
Die Studentin Jana arbeitet als Teilzeitangestellte in einem grossen Betrieb in Zürich. Hier wird die Verteilung des Trinkgeldes nicht fest geregelt. Einen Verteilungsschlüssel zu erstellen, erscheint schwierig. Manche Angestellte arbeiten acht Stunden und mehr pro Tag, andere als Aushilfen nur drei Stunden am Abend zu den Hauptbetriebszeiten. Für das Einkassieren sind jeweils nur ein bis zwei Mitarbeitende zuständig. Jana hat als Teilzeitangestellte kein Portemonnaie, daher fliesst das Trinkgeld in die Kasse der anderen. Ausnahmsweise erhält sie ein paar Franken direkt von einem Kunden. Am Feierabend bekommt sie je nachdem, mit welchen Angestellten sie gearbeitet hat, zehn bis zwanzig Franken als Trinkgeld, wenn sie Pech hat, gar nichts. Dies ist abhängig vom jeweiligen Kassierer. Der Chef selbst gibt nie vom Überschuss aus seinem Portemonnaie ab, obwohl er oft von Janas freundlicher Art profitiert.
Als Jana nachfragt, wie die Regelung genau aussieht, sagt dieser, dass sie keinen Anspruch auf Trinkgeld hat. Es sei nichts dazu in ihrem Vertrag festgehalten. Sie könne von Glück reden, dass sie ab und zu zehn Franken von den anderen Kassierern bekomme. Jana findet dies mehr als unfair, da durch die gute Lage des Restaurants mehrere hundert Franken Trinkgeld am Tag anfallen.
Als Reaktion auf die Ansage ihres Chefs arbeitet sie weniger motiviert und sieht nicht ein, wieso sie den Kunden jeden Wunsch von den Lippen ablesen sollte, wenn nur der Chef davon profitiert.
Möglichkeiten als Arbeitnehmer bei einer unfairen Verteilung
Solche Umstände sollte man sich nicht gefallen lassen. Der Arbeitgeber darf nicht einseitig über die Trinkgelder verfügen oder sogar Angestellte zwingen, das Trinkgeld abzugeben. Da die Aufteilung des Trinkgeldes eine interne Angelegenheit ist und daher in das Privatrecht gehört, können sich Arbeitnehmende nicht auf die Bestimmungen des L-GAVs berufen. Dieser regelt das Trinkgeld nicht. Die Mitarbeitenden müssten versuchen, eine faire Verteilung mithilfe eines gerichtlichen Beschlusses zu verlangen. Dies ist aber oft schwierig und mit hohen Kosten verbunden.
Fazit
Der Arbeitgeber schadet sich mit solchen Machenschaften schlussendlich selbst. Spricht sich ein solches Verhalten herum, wird er Probleme haben, gute Mitarbeitende zu finden. Eine unfaire Trinkgeldregelung kann Mitarbeiter zudem demotivieren und sich negativ auf den Umsatz auswirken.
Eine faire Trinkgeldverteilung ist darum ganz im Sinne des Arbeitgebers. Welche Variante ein Betrieb wählt, hängt vom Arbeitgeber ab. Die Aufteilung sollte jedoch fair sein und mit den Angestellten auch besprochen werden. Am besten ist, wenn Sie die gewählte Aufteilung in einem Reglement festzuhalten. Holen Sie auch eine schriftliche Zustimmung der Mitarbeiter ein.
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Aktualisiert am 24.06.2021