Wer nichts wird, wird Wirt: eine Abrechnung

Das Sprichwort lebt und lebt weiter …

Wer nun meint, das Sprichwort habe lange schon an Bekanntheit eingebüsst, meint falsch. Fragen Sie einmal jemanden, der gerade dabei ist, die deutsche Sprache zu lernen. Täglich werden Sprachschüler dazu genötigt, dieses Sprichwort zu wiederholen, bis auch der Letzte den Unterschied in der Aussprache von D und T kennt. Mit dem Sprichwort lernen die Schüler gleichzeitig einen wichtigen Kerngedanken im deutschen Sprachraum: Macht irgendeine Ausbildung, wenn das nichts wird, könnt ihr immer noch ein Restaurant oder eine Bar eröffnen.

Wirt zu werden, ist somit in unserem Kulturraum höchstens Plan B, wenn nicht sogar Plan C oder D. Probiert es aus! Erzählt einer nicht aussagekräftigen Anzahl an Menschen, dass ihr gerade ein Wirtepatent macht. Ihr werdet erstaunt sein, wie oft dieses Vorhaben mit „Wer nichts wird, wird Wirt!“ kommentiert wird. Vergesst nicht, den klugen Köpfen für die richtige Aussprache der Plattitüde zu gratulieren.

... und verbreitet negative Vorstellungen

Wieso nur konnte sich dieses vermaledeite Sprichwort bis heute halten? Es entspricht einem sehr alten Bild, dass ohne grosses Vorwissen zum Beispiel eine Dorfbeiz eröffnet werden konnte, wo sich der Wirt mit seinen Freunden zum Saufgelage mit Speck und Bohnen trifft. Gastronomie ist heute mehr, ja viel mehr als das. Dennoch hält sich das Sprichwort hartnäckig.

Geschuldet ist dies wohl auch dem Umstand, dass in Deutschland, dem dominanten Teil des deutschsprachigen Raumes, lediglich ein eintägiger Kurs vorausgesetzt wird, um eine Gaststättenkonzession (in der Schweiz Wirtepatent genannt) zu erhalten. In Deutschland ist es also durchaus nicht ganz so schwer wie bei uns, Wirt zu werden. Aber es zu bleiben, genauso sehr.

Wagen wir das Experiment ...

Wie es wohl wäre, wären Wirte nichts und könnten nichts? Wagen wir das Experiment, für all jene, die den Spruch noch heute gerne runterlallen: Gehen wir einmal davon aus, dass ein Wirt, also ein Unternehmer eines Betriebes, keine Ahnung von Lohnzahlungen hat. Er würde dann seinen Angestellten so viel bezahlen, wie er Lust hat. Oder auch nichts. Ein Nichts darf das. Lebensmittelsicherheit? Ein Nichts muss davon auch nichts wissen, so ein bisschen Salmonellen und Listerien wirken stärkend auf den Magen des Spötters. Warenkalkulation? Nicht nötig, ein Nichts verfüttert seine Reste einfach den Ratten in der Küche, die er als Haustiere hält. Hat er keine Waren mehr, kann er diese noch verkochen. Ein Nichts, der von nichts weiss und nichts kann, darf das.

Klar ist, kein Mensch will von so einem Nichts bedient werden. Spätestens jetzt sollte jedem bewusst sein, dass er in Restaurants, in Bars und bei Take-aways meist von sehr professionellen Gastgebern betreut wird. Das Sprichwort wird deren Bemühungen nicht gerecht und wertet sehr gute Leistungen, die täglich erbracht werden, ab.

Wussten Sie, dass das Sprichwort eigentlich weitergeht? Es lautet in der Variation: „Wer nichts wird, wird Wirt. Wer gar nichts wird, wird Gast und fällt dem Wirt zur Last.“ Für die ganz Uneinsichtigen ist dies der letzte Konter.

Ein Wirt muss sehr viel sein und können!

Zumindest dann, wenn er einen Betrieb konstant erfolgreich führen will. Und er ist auch kein altertümlicher Wirt mehr, sondern ein Unternehmer, ein Allrounder, der Wissen über die Betriebsführung, die Lebensmittel- und Arbeitssicherheit hat, seinen Mitarbeiter faire Arbeitsbedingungen garantiert und seine Gäste mit gutem Marketing in den Betrieb zu führen vermag. Er behält seine Gäste, weil er sie mit ausgezeichnetem und qualitativem Essen überrascht und budgetiert seine Produkte so, dass er damit erfolgreich wirtschaften kann. Er hat ein umfassendes Wissen, das er in der Praxis anwenden kann und kommt auch mit den Behörden zurecht.

All das ist herausfordernd und verlangt ganz viel Knochenarbeit. Der Inhaber eines gastwirtschaftlichen Betriebes ist viel, nur kein Nichts.

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